Online Dating in China:
Veröffentlicht: 21. Oktober 2016 |
China ist zerrissen. Es herrscht Frauen- und Männermangel. Online-Dating in China boomt. Heiratsvermittler, Online-Partneragenturen und Dating-App-Entwickler freuen sich. Nie war es schwerer, in China einen Partner zu finden.
Über das Online-Dating in China
Wie in vielen anderen Sektoren auch gehört China in Sachen Internet zu den ganz großen Aufholern dieser Welt und verfügt mit Baidu auch über einen eigenen Suchmaschinen-Giganten.
Beim Online-Dating gelten in China natürlich völlig andere Voraussetzungen als im Westen, nichtsdestotrotz hat sich diese Form der Partnersuche dermaßen etablert, dass China nach den USA als zweitgrößter Datingmarkt der Welt gilt (Stand 2016).
AFF-Index: | 62 / 123 |
Einwohner: | ca. 1,36 Mrd. |
Amtssprache: | u.a. Hochchinesisch |
Internet-Suffix: | .cn |
Online Dating und 1 Kind Politik in China
Heiraten und eine Familie gründen ist in China eine fest verankerte Tradition. Wegen der im Jahr 1979/1980 eingeführten 1-Kind-Politik herrscht jedoch krasser Frauenmangel in der Volksrepublik. Das hat Auswirkungen auf das Online-Dating in China. Männer wurden als Stammhalter bevorzugt, in der Folge wurden weibliche Säuglinge oft abgetrieben.
Und so kommt es, dass aktuell nur jeder vierte Chinese eine chinesische Frau heiraten könnte. Deshalb wurde die 1-Kind-Politik 2015 wieder etwas gelockert, Online-Dating boomt.
Die Zukunft sieht jedoch düster aus. Laut Angaben der Chinesischen Akademie der Wissenschaften soll es im Jahr 2020 24 Millionen mehr Männer als Frauen im heiratsfähigen Alter in China geben.
Im Jahr 2050 wird China eine der am stärksten überalterten Nationen der Welt sein. UN-Demografen sagen für das Jahr 2050 1,9 Kinder je Frau voraus.
Hohe Anforderungen an heiratswillige Chinesen
Es mangelt jedoch nicht nur an Frauen. Trotz des Männerüberschusses fehlen vor allem solvente Männer. Denn Chinesinnen wollen grundsätzlich „nach oben heiraten“. Sie streben nach einem Mann mit höherem Einkommen, Universitätsabschluss, einem Auto sowie einer Wohnung in guter Lage.
Ein Bauer aus der Provinz mit niedrigem Einkommen hat also keine Chance auf eine Chinesin mit Universitätsabschluss aus Peking oder Shanghai.
Wer als Chinesin mit 25 noch nicht verheiratet ist, der gilt bereits als schwer vermittelbar. Die absolute Obergrenze ist 27. Wer dann noch nicht verheiratet ist gilt als „lao guniang“, ein „altes Mädchen“. Männer gelten mit 40 als alt und haben keine Chancen mehr auf eine Ehefrau. Selbst mit den Mitteln der modernen Technik und Online-Dating wird es eng.
Der "BigMac Index" fürs Online Dating international:
Unser sogenannte AFF-Index (in Anlehnung an den BigMac-Index) gibt Ihnen eine grobe Vorstellung davon, auf welchem Singlebörsen-Entwicklungsstand sich die Länder dieser Welt befinden.
Männer kaufen Frauen und Frauen mieten Männer
Aus dieser Situation und den hohen Anforderungen an männliche und weibliche Heiratskandidaten ergeben sich groteske Konsequenzen. Manche chinesische Männer sind so verzweifelt, dass sie sich eine Frau (meist aus Vietnam oder Laos) kaufen oder ersteigern.
Das Schlimme daran: Die Nachfrage nach käuflich erwerbbaren Frauen steigt. Noch schlimmer ist die Tatsache, dass viele Frauen oft von ihrer eigenen Familie für um die 45 Euro (je nach Alter und Aussehen der Frau) an Schlepper verkauft werden, welche diese dann für mehrere tausend Euro weiterverkaufen. Um das Gesetz gegen Menschenhandel kümmert sich niemand, viele wissen nicht einmal, dass es verboten ist, sich eine Frau zu kaufen.
Gutverdienende Chinesinnen hingegen mieten sich einen Freund via „rent-a-friend“ oder Taobao (vergleichbar mit Ebay oder Amazon in Deutschland) um dem Druck der Familie, endlich einen geeigneten Heiratswilligen zu finden, aus dem Weg zu gehen.
Eltern mischen bei Heiratskandidaten mit
In China haben die Eltern noch ein starkes Mitspracherecht bei der Heirat ihrer Kinder. Heirat in China hat weniger mit Romantik als vielmehr mit einem in finanzieller Hinsicht „guten Deal“ zu tun. Chinesische Eltern müssen daher ihr Einverständnis für einen Heiratskandidaten geben.
Viele Mütter und Väter versuchen ihre Tochter auch auf sogenannten Heiratsmärkten anzubieten. Der bekannteste Heiratsmarkt in Shanghai befindet sich im People´s Park. Hier hängen jeden Samstag unzählige Heiratsanzeigen auf Wäscheleinen und an Sträuchern aus. Väter und Mütter sind offline auf der Jagd nach einem potentiellen Heiratspartner für ihr Kind.
Durch Online Dating heiratswilligen Partner finden
Wenn jedoch traditionelle Methoden wie der Heiratsmarkt, Kupplermärkte in Einkaufszentren, Partnersuch-Spiele und die Methode einen Mann oder eine Frau über Freunde kennenzulernen misslingen, bleibt vielen als letzte Hoffnung nur noch das Internet.
Online-Dating in China ist seit gut 10 Jahren möglich. Der Markt wird seitdem von den vier großen Online-Dating Anbietern Jiayuan.com, Baihe.com, Zhenai.com und Youyuan.com bestimmt:
Die Zielgruppe von Dating-Websites und Dating-Apps in China sind hauptsächlich Männer und Frauen aus chinesischen Großstädten, zwischen 25 und 40 Jahren, mit Universitätsabschluss und Bürojob.
Online Dating China – ein Millionengeschäft
Online-Dating in China ist ein Millionengeschäft. Allein im ersten Quartal 2016 stieg die monatliche Zahl aktiver Nutzer von Online-Dating-Plattformen in China via Desktop von knapp 16 Millionen auf 18 Millionen.
Die derzeit beliebteste und mitgliederstärkste Online-Dating Webseite in der Volksrepublik ist Jiayuan.com. Nach eigenen Angaben der Seite sind dort aktuell 170 Millionen Chinesen auf Partnersuche. Weitere stark frequentierte Online-Dating-Seiten sind Lobe163.com, Yuehui.163.com, Baihe.com, Zhenai.com, Ylike.com.
Zu Webseiten für Männer, die selbst Ausländer sind, aber eine chinesische Frau suchen, zählen Seiten wie AsianDating, ChinaLoveCupid.com, DateInAsia.com oder auch Badoo.com.
Nutzung Dating Apps und Webseiten via Smartphone
Da China der größte Smartphone-Markt der Welt ist, boomen Dating-Apps hier so richtig. Die meisten Chinesen nutzen zunehmend ihr Smartphone statt ihren PC um im Internet zu surfen. Die Userzahlen der Dating-Apps stiegen im ersten Quartal 2016 stetig.
So nutzten im monatlichen Durchschnitt (Januar bis März 2016) rund 9 Millionen Chinesen Dating-Apps. Die Nutzungsdauer von Dating-Apps ist im März 2016 auf 840 Millionen Minuten explodiert.
Die Einnahmen der mobilen Internetnutzung beliefen sich im zweiten Quartal 2016 auf 197,2 Milliarden Yuan.Dating-Apps und Online-Dating-Seiten, die gerne via Smartphone genutzt werden, sind:
- Jiayuan.com
- Zhenai.com
- Youyuan.com (130 Millionen User im Januar 2014)
- Baihe.com
- Huatian
- Love.163.com
Eine monatliche Übersicht der Nutzungsdauer via Smartphone zeigt, dass Jiayuan.com die Nase weit vorne hat:
Die Dating-App Tantan präsentierte 2021 eine Umfrage unter 4.000 alleinstehenden Frauen aus Beijing, Shanghai, Guangzhou und Shenzhen. Die Ergebnisse belegen, dass Dating-Apps zu einem unerlässlichen sozialen Werkzeug für alleinstehende Frauen in Ballungsräumen geworden sind. Je mehr eine Frau verdient, desto aktiver ist sie im Online-Dating.
Die beliebtesten Dating Apps in China
Zu den beliebtesten Dating-Apps in China gehören derzeit Tan Tan (das chinesische Tinder) und Momo, eine ehemalige One-Night-Stand-App, die sich zu einer Art China-WhatsApp mit gut 56 Millionen Nutzern (im Jahr 2015) gewandelt hat.
Weitere chinesische Dating-Apps, die derzeit im Trend liegen, sind:
- Xintiao: Ähnlich wie Tan Tan, aber mit eigenem Design,
- Quingchifan: Übersetzt heißt der App-Name „Jemanden zum Essen einladen“ und genau darum geht es bei dieser App. Essenseinladung raus und schon hat man ein nettes Date.
- Xindong: Diese Dating-App wurde für College Studenten entwickelt. Zugang zu dieser App erhält nur, wer sich als tatsächlicher Student ausweisen kann.
- Tencent QQ: Die App mit dem Pinguin mit rotem Schal ist eigentlich ein Instant Messaging Service. Im Januar 2015 zählte die App 853 Millionen aktive Accounts – genug um auch als Dating-Apps zu fungieren.
- Liu Liu: Das ist die chinesische Variante von DoggyDate. Hier treffen sich Tierliebhaber und Tierbesitzer um ein date auszumachen.
Zu den größten Dating-Apps für Gays gehören übrigens Blued (15 Millionen User) und Hornet (10 Millionen User) und für lesbische Singles gibt es Lesdo (1,5 Millionen registrierte Userinnen).
Online Dating in China - ein Umsatzknaller
Analysis International zufolge hat der China Online-Dating Markt im Jahr 2013 einen Gesamtumsatz von 260 Millionen US-Dollar gemacht.
Die Seite datingsitesreviews.com nennt für das Jahr 2014 einen Umsatz von 318 Millionen US-Dollar.
Für Ende 2016 wird von der amerikanischen Börse sogar ein Umsatz von 1,6 Milliarden US-Dollar erwartet.
Investoren und App Stores profitieren
Deshalb verwundert es nicht, dass Investoren sich ganz besonders für den chinesischen Online-Dating Markt interessieren. So hat Bertelsmann im Jahr 2015 fünf Millionen US-Dollar in die Dating-App Tan Tan investiert.
Secquoia Capital und Vertex Venture Holdings investierten sogar 20,5 Millionen US-Dollar in die App Quingchifan, welche der Dating-App Momo ähnelt und dafür gedacht ist, sich mit fremden Leuten auf einen Restaurantbesuch zu verabreden.
Der Blogger Sascha Ostermaier berichtet in einem Artikel über Streaming und Dating-Apps, dass China mitverantwortlich für das Apple App Store Wachstum ist. Das vierte Quartal 2015 brachte 20 Prozent mehr Downloads als das vierte Quartal 2014. Hierdurch konnte der Umsatz, der weltweit steigt, in China sogar verdoppelt werden. Dating-Apps sorgen neben Abo-Modellen und Streaming-Apps also für starke Umsätze.
Online Dating erschließt Offline Heiratsmarkt
Die zunehmende Beliebtheit von Online-Dating Webseiten ermöglicht es den Anbieter in China ihr Spektrum zu erweitern. Die mobilen Nutzer von Dating-Apps sind bereits stark auf dem Vormarsch, ihre Zahl nimmt stetig zu.
Doch auch das Offline-Geschäft wird durch das Online-Dating beflügelt. So hat der Marktführer Jiayuan.com im zweiten Quartal 2014 sogar 59 Offline-Heiratsvermittlungs-Institute eröffnet. Baihe.com gelang es im gleichen Zeitraum sogar 130 solcher Heiratsvermittlungen aus dem Boden zu stampfen.
Damit ist es den Online-Dating-Anbietern gelungen, ihre Marktmacht auszubauen und sich verschiedene Einkommensquellen zu erschließen.
Chinesische Männer müssen sparen
Und solange kein einigermaßen ausgeglichenes Mann-Frau-Verhältnis in China vorhanden ist, solange werden die Heiratsvermittler und Online-Partnervermittlungen sich wohl weiterhin eines steigenden Jahresumsatzes erfreuen dürfen.
Unterdessen sparen chinesische Männer jeden Cent ihres Verdienstes, da selbst eine einfache Hochzeitsfeier, inklusive Zahlungen an die Brauteltern und Verwandten für die zukünftigen Ehefrau (ohne Zahlung des Brautgeldes keine Übergabe der Braut), schnell zu einer Verschuldung für die nächsten 20 Jahre führen kann.
Wer hat diese Reportage geschrieben?
Henning Wiechers beobachtet seit 2003 die Welt der Singlebörsen und gilt in den Medien als führender Fachmann zum Thema.