"Irgendwann hatte ich kein Interesse mehr an Sex in der Ehe."
WolfmozartUntreuer Ehemann Veröffentlicht: 4. August 2019 |
Warum gehen Männer fremd? In einem sehr offenen Interview mit einem 63-jährigen Mann sind wir genau dieser Frage nachgegangen. Wolfmozart* erklärt, warum er fremdgegangen ist, ob er seine Ehe durch Untreue retten konnte, was Sex für ihn bedeutet und warum wir gesellschaftlich umdenken sollten, wenn es um Sexualität und Sex geht.
Zur Vermischung unserer Gene und damit der Stärkung der Population wäre Sex mit vielen Partnern viel sinnvoller. Wer Sex mit verschiedenen Partnern hat, wird als Mann schief angesehen und als Frau gleich als Hure verteufelt.
Was hat Dich zum Fredmgehen gebracht?
Das ist eine lange Geschichte. Die Kurzform: Irgendwann hatte ich kein Interesse mehr an Sex in der Ehe. Es folgten mehr als zehn Jahre Enthaltsamkeit und heimliche Selbstbefriedigung.
Dann lernte ich eine Frau (meine damalige Angestellte) kennen, die es durch ihre Art geschafft hat, mich daran zu erinnern, dass ich ein Mann bin. Sie kurbelte dermaßen das Kopfkino bei mir an, dass ich manchmal schon eine Erektion bekam, wenn ich sie nur sah. Das führte aber auch dazu, dass mir Selbstbefriedigung nicht mehr reichte, ich wollte mehr. Im Bett war ich mit ihr übrigens nie.
Warum hattest Du kein Interesse mehr an Sex in Deiner Ehe? Deine Frau hatte aber noch Lust an Sex?
Ich denke schon, dass meine Frau noch Lust auf Sex hat, aber sie fordert nichts ein. Woran das liegt, weiß ich nicht.
Es war die Routine, die den Sex bei uns hat einschlafen lassen. Dazu kommt auch, dass meine Frau und ich im Sex unterschiedliche Sprachen sprechen und verschiedene Erwartungen haben. Wir haben es nicht geschafft, eine Lösung zu finden, was zu mindestens 50 Prozent mein Versagen ist.
Könnte Deine Untreue auch an zu wenig Varianz bei den Sexualpraktiken gelegen haben?
Ja, es lag auch an den Sexualpraktiken. Ich hätte gerne mehr Variationen gehabt, habe es aber, wie gesagt, nie thematisiert. Leider hat das meine durch die Erziehung geprägte Einstellung verhindert. Ich wurde geprägt von Sprüchen, wie "Sex ist nur zum Kinderkriegen da" und "Über Sex spricht man nicht!". Auch heute noch fällt es mir unendlich schwer, über Sex mit meiner Frau zu reden.
Anders ist das übrigens, wenn ich mit Gleichgesinnten in Sexforen zusammen bin. Hier bin ich völlig ungehemmt, und auch in meinem Beruf kann ich frei über Sex reden. Merkwürdig, nicht wahr?
So merkwürdig finde ich das gar nicht. Beruflich und unter Gleichgesinnten ist selten so eine hohe Emotionalität da, wie im Gespräch mit der Partnerin. Magst Du verraten, auf welche Art und Weise Du fremd gegangen bist?
Ich war schon immer ein Freund von Massagen, insbesondere Thai-Massagen, die ich auch immer mal in Anspruch genommen hatte. Bei meiner Suche im Internet tauchte dann zu ersten Mal der Begriff "erotische Massagen" auf. Das hat mich gefesselt und nicht wieder losgelassen.
Du hast zum Fremdgehen also die Dienste einer Sexarbeiterin in Anspruch genommen. Kannst Du Dich noch an das erste Mal erinnern? Wie war das für Dich?
Mein erstes Mal Fremdgehen war der Hammer und sehr aufregend. Ich hatte sicher einen Puls von 220, als ich dort angerufen habe.
Als ich dann dort war, war es einfach nur schön. Es gab eine zarte gefühlvolle Streichelstunde mit einer abschließenden Handentspannung.
Wenn man wie ich, zehn oder mehr Jahre keine zärtliche Berührung mehr hatte, dann sind zarte Frauenhände der Himmel auf Erden. Ich denke noch gerne an dieses Ereignis zurück, obwohl ich später deutlich bessere Massagen erlebt habe. Aber es war wie mit der ersten Frau im Leben…
Hat Deine Partnerin herausbekommen, dass Du fremdgehst? Oder hast Du ihr es irgendwann gebeichtet?
Sie hat es irgendwann herausbekommen. Irgendwann tauchte auf meinem iPad der Satz auf "Ich bin so geil auf dich". Ich hatte es auf dem Küchentisch liegen gelassen und war zur Arbeit gefahren. Meine Frau hat es gelesen.
Bist Du mit Deiner Partnerin heute noch zusammen?
Ja, und ich liebe meine Frau mehr als vor fünf Jahren. Aber eben ohne Sex.
Heißt ohne Sex auch ohne Zärtlichkeiten, wie Kuscheln, Küssen und dergleichen? Wie zeigt ihr zwei Euch heute Eure Liebe?
Doch, Zärtlichkeiten und Zuneigung gibt es bei uns wohl. Streicheln, Küsse, Umarmungen kommen vor. Wir zeigen unsere Liebe aber auch durch Gesten und bestimmte Einstellungen, die geprägt sind von hohem gegenseitigem Respekt. Für den anderen da sein, gemeinsam mit ihm Probleme lösen, aber auch viel gemeinsam Lachen, Erleben – das gehört alles mit dazu.
Das hört sich toll an! Wie ist es Euch gelungen, das Thema Untreue bzw. Fremdgehen zusammen zu überstehen?
Es gab natürlich eine Krise, viele Tränen (auch bei mir) und viele Diskussionen. Ich habe meiner Frau signalisiert, dass ich ohne Sex nicht leben kann und auf die Dienste von Prostituierten, also Pay6, nicht mehr verzichten wollte.
Nach vielen weiteren Diskussionen kam der entscheidende Satz von meiner Frau:
Dass du gelegentlich ficken gehst, damit kann ich leben. Aber sobald eine Frau emotional zwischen uns steht, bin ich weg!
Das hat gesessen, im positiven Sinn. Ich hatte also die offizielle Erlaubnis, ein Bordell aufzusuchen, aber ich durfte mich nicht in eine der Damen verlieben. Diese Vereinbarung gilt heute noch und das klappt sehr gut, denn es gibt seitdem keinerlei Probleme mehr zwischen uns.
Ich bin sehr glücklich und dankbar, diese Freiheit offiziell nutzen zu können, wobei es umgekehrt auch eine Verpflichtung meinerseits ist, aus Respekt gegenüber meiner Frau maßvoll zu sein. So sind es dann meist zwei bis drei Termine im Monat, die ich dann in Anspruch nehme, wenn meine Frau mit Freunden unterwegs ist. Unser Verhältnis ist seitdem noch deutlich besser geworden, wir führen eine gute und harmonische Ehe.
Viele Menschen fragen sich, wie und ob sie einen Seitensprung verzeihen können. Wie ist Deine Partnerin damit umgegangen?
Sie war aus meiner Sicht klug genug, die richtige Entscheidung zu treffen. Okay, das klingt jetzt erst einmal etwas macho-mäßig, ist aber nicht so gemeint.
Ich wäre zum Zeitpunkt der Entdeckung auf keinen Fall bereit gewesen, auf weiteren Pay6 zu verzichten, ich war bereit, meine Ehe zu beenden, dazu war mir der Sex zu wichtig geworden. Ob ich damit glücklich geworden wäre, weiß ich nicht, aber ich war bereit, es zu riskieren.
Und ich bin fest davon ausgegangen, dass mich meine Frau deswegen verlassen würde. Hat sie aber nicht! Wow! Und bis auf Sex führen wir heute eine sehr gute Ehe, für die wir von vielen beneidet werden. Aber niemand in unserem Bekannten- oder Freundeskreis weiß von meinem Hobby.
Ist Deine Partnerin Dir irgendwann einmal fremdgegangen?
Ist sie wirklich. Aber schon mehr als 15 Jahre vor meinen Eskapaden. Ich habe es nie bemerkt und hätte mein gesamtes Vermögen verwettet, dass meine Frau mir (sexuell) stets treu gewesen ist. Heute dürfte sie es offiziell (gleiches Recht für alle), aber sie macht es nicht.
Wie sieht es heute aus in Eurer Beziehung? Bist Du ihr treu? Was hat sich durch das Fremdgehen in Eurer Beziehung geändert?
Die Beziehung ist sehr gut. Treu bin ich sexuell weiterhin nicht, aber in Maßen. Emotional bin ich ihr sehr treu! Geändert hat sich, dass ich ein viel positiverer Mensch geworden bin, was auch meiner Frau zugutekommt.
Was bedeutet Sex für Dich als Mann? Was gab Dir Sex mit Deiner Partnerin und was gibt Dir Sex heute mit einer Sexarbeiterin?
Zunächst einmal hilft mir Sex, mein Älter werden zu verkraften. Ich fühle mich jünger als ich bin mit meinem 63 Jahren.
Ich denke, man muss verschiedene Formen des Sex unterscheiden. Da gibt es zum einen den Sex in der Ehe, der vor allem von gegenseitiger tiefer Zuneigung und Liebe geprägt ist.
Und da gibt es den anderen Sex, der einfach nur schön ist, einem zeigt, dass man noch lebt und der die Glückshormone im Körper steigen lässt.
Im Sex mit der Ehefrau ist man vielleicht nicht so sehr auf Technik aus, weil ja die Emotionen überwiegen. Jedenfalls war das bei uns so. Das führte aber eben irgendwann auch zur Langeweile.
Der Sex mit einer Prostituierten ist jedes Mal ein Abenteuer. Man ist aufgeregt, neugierig, die Hormone schlagen Purzelbaum - und das Ergebnis ist manchmal enttäuschend aber oft unglaublich schön. Das gibt mir dann zum einen Kraft für die Widrigkeiten des Alltags, wie zum Beispiel beruflicher Stress. Zum anderen ist meine emotionale Welt ausgeglichener als früher.
Sex hängt für Dich also auch mit Lebendigkeit und Gesundheit zusammen. Leider ist Prostitution gesellschaftlich aber auch immer noch ein ziemliches Tabuthema und die aktuellen gesetzlichen Regelungen machen die Sexarbeit nicht einfacher für alle Beteiligten. Wenn Du ein Plädoyer für Pay6 halten dürftest, was würdest Du der Gesellschaft sagen wollen?
Das Problem ist aus meiner Sicht nicht nur, dass Prostitution ein Tabuthema ist. Auch der "normale" Sex an sich ist ja für viele immer noch ein Tabuthema. Darüber sprechen viele nicht gerne. Und wenn, dann in blumigen Umschreibungen und mit vielen Verlegenheitsgesten.
Ein anderer ganz wichtiger Punkt ist, dass die Monogamie in unserer Gesellschaft fest verankert ist. Warum eigentlich? Rein biologisch macht das keinen Sinn.
Zur Vermischung unserer Gene und damit der Stärkung der Population wäre Sex mit vielen Partnern viel sinnvoller. Wer Sex mit verschiedenen Partnern hat, wird als Mann schief angesehen und als Frau gleich als Hure verteufelt.
Tja, 1.000 Jahre christliche Moralvorstellungen lassen sich wohl nur sehr langsam gesellschaftlich ändern. Siehst Du hier das große Problem beim Thema Sex?
Ja, hier liegt das große Dilemma. Würde die Gesellschaft anerkennen, dass es allein Sache des Einzelnen ist, zu entscheiden, ob er oder sie nur einen Sexualpartner oder mehrere haben möchte, wäre vieles schon leichter.
Dann würden Männer offener zum wechselnden Sex und auch Pay6 stehen. Und Frauen, die sexuelle Dienste anbieten, würden nicht mehr verurteilt.
Die Ehe gilt nicht mehr ewig. Heute haben wir Lebensabschnittsgefährten, was damit ja auch wechselnde Sexualpartner zur Folge hat. Warum aber muss Sex immer mit einer Beziehung verbunden werden? Warum können wir nicht einfach Sex haben, weil es Spaß macht, weil Sex gesund ist und das Leben verlängert?
Und was spricht dagegen (abgesehen von der Moral), wenn ein Mensch zur Erfüllung bestimmter Sexualpraktiken Geld bezahlt an einen Partner, der dafür bereit ist, diese Wünsche zu erfüllen?
Daher bin ich für die gesellschaftliche Akzeptanz von Sex und insbesondere damit auch des Sex gegen Geld. Natürlich müssen dafür Regeln geschaffen werden, um negative Auswüchse zu vermeiden, und das Prostituiertenschutzgesetz ist aus meiner Sicht ein Schritt in die richtige Richtung, wird aber leider oft falsch interpretiert.
Und in noch einem Punkt ist in unserer Gesellschaft dringend ein Umdenken erforderlich. Eine Frau, auch wenn sie eine Sexarbeiterin ist, ist keine Ware, sondern ein Mensch, ein Mensch und nochmals ein Mensch. Viele Kunden vergessen das, und glauben, mit Geld die Frau zu kaufen, und dann mit ihr machen zu können, was sie wollen. Das ist leider eine völlig falsche Einstellung.
Man kann eine Frau also nicht kaufen!
Genau, man kann eine Frau nicht kaufen! Man kann allenfalls ein Honorar zahlen für die Zeit, die sie zur Verfügung stellt, um einem Mann sexuelle Wünsche und Befriedigung zu verschaffen. Trotzdem muss man sie mit Respekt behandeln und ihre Grenzen und auch ihre Wünsche und Vorstellungen berücksichtigen.
Wertschätzung ist das Zauberwort!
Denn Frauen, die Sex anbieten, leisten unheimlich viel. Sie sind nicht nur Sexarbeiterinnen sondern auch Psychologinnen. Sie gehen oft bis an ihre Grenzen und manchmal auch darüber hinaus. Dies sollte unsere Gesellschaft unbedingt anerkennen!
Lieber Wolfmozart, herzlichen Dank für dieses Interview und Deine Offenheit.
Wer mehr über Wolfmozart (der dieses Interview unter einem *Pseudonym gegeben hat) erfahren möchte, der kann sich in dessen Blog "Wolfmozarts Sexgeschichten" informieren.
Wer hat das Interview "Fremdgehen" geführt?
Alexandra Langbein arbeitet seit vielen Jahren als Singlebörsen-Testerin und ist unsere Ansprechpartnerin für die Medien.