"Verlieben ist innerhalb gewisser Grenzen ein Zufallsprozess. Man nennt das auch Schicksal. "

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interview mit Prof. Erich H. Witte von Paar-Psychologe Erich H. Witte

Prof. Erich H. Witte

Paar-Psychologe

Veröffentlicht: 13. Mai 2006

Liebe übers Netz: Welche Voraussetzungen aus psychologischer Sicht stimmen müssen, damit das auch funktioniert, erfuhren wir im Gespräch vom Paar-Psychologen Professor Erich Witte. Er bringt sein Wissen über Beziehungen bei der Online-Partnervermittlung Partner.de ein. Wir wollen wissen: Gib es ein Glücksrezept für die ewige Liebe?



Das Verliebtsein als Start ist wichtig, aber es bleibt nicht einfach erhalten. Man muss das Gefühl bewusst pflegen.

Herr Prof. Witte, welche Voraussetzungen müssen stimmen, damit zwei Menschen sich verlieben?

Verlieben ist innerhalb gewisser Grenzen (Alter, Größe, Aussehen) ein Zufallsprozess. Man nennt das auch Schicksal. Wir können niemanden so beeinflussen, dass er/sie sich in uns verliebt.

Das hat die Natur so eingerichtet. So erhält sich unsere Art durch Fortpflanzung ohne allzu große Behinderung durch verschiedene Auswahlkriterien, die erfüllt sein müssen. 


Welche Voraussetzungen müssen stimmen, damit zwei Menschen über die Verliebtheit hinaus eine Beziehung beginnen?

Wir haben in westlichen Gesellschaften Scheidungsraten, die um die um 50% liegen. Es ist also ohne weitere Barrieren ein Zufall, ob man zusammenbleibt oder sich trennt. Die Frage ist, was die Paare, die zusammenbleiben, von den sich trennenden Paaren unterscheidet. Das beginnt schon beim Verlieben, wenn man sich in den richtigen Mann oder die richtige Frau verliebt hat, dann ist es viel leichter, eine dauerhaft glückliche Beziehung zu leben.

Die eher äußeren Kriterien, wie Aussehen, Geruch, Kleidung, Geld sind für eine dauerhaft glückliche Beziehung beim Verlieben für die Wahl einer kurzfristigen Beziehung wichtig, aber für langfristige Beziehungen haben sie keine Bedeutung.

Es gibt zwei Bereiche, die besonders bedeutsam sind, nämlich persönliche Merkmale der sozialen Integration (Strebsamkeit, Unternehmungslust, vielseitige Interessen) und gegenseitige Beziehungsfähigkeit (Einfühlungsvermögen, Warmherzigkeit, Gefühlsbetontheit). 

Dabei ist es die Übereinstimmung in den beiden Bereichen zwischen den Partnern und nicht die Bedeutung für den einzelnen. Nur wenn man in der Beziehung die beiden Bereiche gemeinsam für wichtig oder unwichtig beim Verlieben eingeschätzt hat, dann ist mit einer eher glücklichen Beziehung auf Dauer zu rechnen.

Dass die Übereinstimmung in genau diesen beiden Bereichen von Bedeutung ist, können die einzelnen Paare nicht wissen. Das ist ein Ergebnis der Forschung.


Welche Voraussetzungen müssen stimmen, damit eine Beziehung dauerhaft glücklich ist? Gibt es so ein Rezept?

Wir haben lange über diese Frage nachgedacht und versucht ein Modell von glücklichen Beziehungen zu formulieren. Das ist auch in einem populärwissenschaftlichen Buch von Frau Wallschlag und mir niedergelegt worden mit dem Titel „Die fünf Säulen der Liebe“ beim Herder-Verlag. Dieses Modell basiert auf sehr unterschiedlichen Erkenntnissen aus Psychologie, Soziologie und Paartherapie. 

Wichtig ist zuerst einmal, dem Partner auch durch sein Verhalten zu zeigen, dass man ihn oder sie liebt. Unter dieser Voraussetzung kann man sie oder ihn auch kritisieren und sich über Veränderungswünsche auseinander setzen. Das führt dann zu einer ausbalancierten Machtverteilung und einem gewünschten Ausmaß an Nähe. 

Gleichzeitig ist es wichtig Außenkontakte zu haben, die die Paarbeziehung von außen anregen. Das können gemeinsame Hobbys, berufliche Kontakte oder Familienaufgaben sein. Diese Außenkontakte bereichern die Beziehung und stellen eine wichtige Grundlage für die Lebendigkeit einer Beziehung dar. In einer so gelebten Beziehung finden Menschen das, was viele sich am meisten wünschen: Geborgenheit, Zärtlichkeit und ein Sich- Verstanden-Fühlen. 

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Nur eine glückliche, dauerhafte Paarbeziehung kann das ermöglichen. Diese zu erhalten ist eine Aufgabe, der man sich bewusst stellen muss. Verliebtsein ist eine automatische Reaktion, die sich einstellen kann und die man nicht bewusst steuert. Eine glückliche Beziehung aber kann man bewusst gestalten. Bei manchen Beziehungen ist es jedoch sehr schwer, weil die Unterschiede zu groß sind. Dann kann man auch gemeinsam zu dem Ergebnis kommen, dass Trennung besser ist. 

Die Gestaltung von Beziehung hat viel mit Überlegungen und das sich in die Perspektive des Partners Versetzen zu tun. Das Verliebtsein als Start ist wichtig, aber es bleibt nicht einfach erhalten. Man muss das Gefühl bewusst pflegen. Wie man das machen kann, ist eine Aufgabe für die beiden Personen in einer Partnerschaft. Hier gibt es keine Lösungen, die für alle gelten. Die Personen müssen nur die Funktionsprinzipien zur Gestaltung von Paarbeziehungen berücksichtigen. 


Wie entstehen eigentlich feste Paarbeziehungen?

Man hat verschiedene Phasen-Modelle entwickelt, um sich erklären zu können, warum manche Kontakte in einer festen Bindung enden und andere sich nicht weiter entwickeln. Dabei gibt es eine Stufenfolge, die beim Prozess des Kennenlernens durchlaufen werden muss. 
Sie beginnt mit den oberflächlichen Kriterien, die man bei neuen Kontakten heranzieht. Wie jemand aussieht, was er beruflich macht, welche Hobbys er hat, wie umgänglich er ist etc. Man nennt das wegen des relativ oberflächlichen Eindrucks die Stimulus-Phase. Wenn jemand nach den dort vorgenommenen Bewertungen zu einem passt, dann ist man bereit ihn näher kennen zu lernen. Sonst nicht. 

Danach tauscht man schon intimere Informationen aus. Es geht dann um allgemeine Werthaltungen, aber auch Vorstellungen über eine Paarbeziehung. Man nennt sie deshalb die Werte-Phase. Auch hier besteht dann die Möglichkeit, dass die Unterschiede zu groß sind und man keine engere Beziehung wünscht. 

Hat eine neue Bekanntschaft diese zweite Hürde überwunden, dann achtet man auf die Persönlichkeit, den konkreten Umgang in einer Paarbeziehung, den Umgang mit gemeinsamen Konflikten und die Sexualität. Man nennt das die Rollen-Phase. Auch hier kann es natürlich noch scheitern.


Sind diese 3 Stufen (Phasen) altersabhängig? 

Diese drei Phasen (Stimulus Phase, Werte Phase, Rollen Phase) sind übliche Stufen des Kennenlernens, wobei der Intimitätsgrad entsprechend zunimmt. Gewisse Formen der Selbstoffenbarung sind nur bei einem intimeren Kontakt zulässig, z.B. über sexuelle Vorlieben. 
Dabei sind die drei Phasen nicht altersabhängig, aber welche Inhalte als wichtig angesehen werden, ändert sich mit dem Alter, weil die Personen unterschiedlich sozialisiert wurden. Es kommt jeweils aber nur auf die Ähnlichkeit an und nicht worin sich die Personen ähnlich sind. Folglich ist das Alter schon indirekt berücksichtigt, weil abhängig vom Alter unterschiedliche Angaben gemacht werden. 
Uns interessieren jedoch nur die Übereinstimmungen in etwa gleichaltriger Personen.


Gibt es altersunabhängige Parameter?

Alter ist eine Matching-Variable, deshalb werden nur altersähnliche Personen vorgeschlagen. Deshalb muss uns Alter nicht wirklich interessieren.

Die Funktionsprinzipien für glückliche Partnerschaften sind altersunabhängig. Das sind allgemeine Prozesse. Die Inhalte können mit dem Alter variieren. 


Wie kann man mit welchen Fragenkomplexen herausfinden, wie Partner zusammenpassen, z.B. Musikgeschmack, Hobbys?

Es gibt viele Bereiche, die es erleichtern, eine glückliche Beziehung zu leben.
Ich nenne die wichtigsten:

a) Individuelle, wie Lebensziele, Persönlichkeit, Freizeitgestaltung, Beruf, Schicht, Bildung, Interessen;
b) Interindividuelle, wie Beziehungsstil, Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen.

 
Welche Bedeutung hat so eine Übereinstimmung für die emotionaleHarmonie (Verliebtheit)?

Die Übereinstimmung erleichtert die Abstimmung, wie man eine Beziehung führen möchte. Sonst muss man Anpassungsprozesse in Gang setzen, die individuelle Veränderung bedeuten. Das fällt allen Personen schwer. Deshalb ist es auf der Grundlage eines Verliebtheitsgefühls bei größerer Übereinstimmung leichter, glücklich zu bleiben. 

Wichtig ist, dass die Beziehung durch Kontakte nach außen lebendig bleibt. Das ursprüngliche Gefühl des Verliebtseins ändert sich dann bei anhaltender Beziehung in ein Gefühl der tiefen Liebe, wenn man Glück hat. Wenn man immer auf dem Niveau des Verliebtseins bleibt, dann empfindet man zwar ein Kribbeln, aber es fehlt der Tiefgang mit Geborgenheit, Vertrauen und Verständnis.


Kann man Ausschlusskriterien für Zweier-Beziehungen überhaupt in einem Fragebogen erfassen?

Ja. Es gibt psychische Störungen, neben den reinen äußeren Kriterien, wie Größe, Gewicht, AUSSEHEN, die eine Paarbeziehung schwierig oder unmöglich machen.Diese Personenkombinationen müssen ausgefiltert werden. 

Es gibt auch Personen, die so gestört sind, dass sie Hilfe brauchen, die aber nicht von einem neuen Partner kommen kann. Sie können jetzt ihre Störung im ersten Anlauf durch das Darstellen im Fragebogen kaschieren. Aber die gesamte Information wird dann ein Bild liefern, das eine gewisse Störung offenbart.

Ferner haben wir Lügenitems und Sorgfältigkeitsindikatoren im Fragebogen als Kontrollvariablen, die eine Verfälschung erkennen können. 
Zudem gibt es aus der Forschung zum Bindungsstil Kombinationen, die nicht auftreten sollten, weil sie kaum auf Dauer glücklich bleiben, wie die Forschung gezeigt hat. 


Welche und wie viele positive Eigenschaften können welche und wie viele negative Eigenschaften kompensieren?

Wenn gewisse Kombinationen ausgeschlossen sind, dann kann sich der Rest kompensieren. Man schafft soziale Homogamie, Übereinstimmung in der Herkunft und im Sozialstatus, schließt gewisse Bindungsstilkombinationen aus, nimmt gestörte Persönlichkeiten heraus, dann sucht man in den verbleibenden Merkmalen nach Ähnlichkeit. Je größer diese Ähnlichkeit ist, desto geringer sind die Konfliktpotenziale und desto eher funktioniert die Partnerschaft nach den oben beschriebenen Prinzipien.

Es geht also nicht darum, etwas zukompensieren, sondern nur auf einem Hintergrund nach Übereinstimmung zu suchen. 
Die Idee "Reicher alter Mann heiratet junge arme Frau" funktioniert nur beim Verlieben, nicht bei einer dauerhaften glücklichen Liebesbeziehung. Ausnahmen bestätigen die Regel. 


Sie arbeiten ja für Partner.de. Was hat Partner.de an Leistungen, Fragebogen mit Unterstützungen von Ihnen was andere nicht haben?

Mein Eindruck von anderen Internet-Partnerbörsen ist folgender: Die Ansätze gehen von einem statischen Modell aus, das durch die Zusammenführung zweier Personen mit ähnlichen Persönlichkeitsmerkmalen und Interessen zu einer glücklichen Beziehung führt.
Bei Partner.de haben wir hingegen ein Prozessmodell der Entwicklung von Partnerschaften mit verschiedenen Phasen des Kennenlernens sowie der internen Abläufe zur Erreichung und Stabilisierung der Beziehung als theoretischen Hintergrund. 

Das geht von zentralen Kriterien beim Verlieben über Bindungsfähigkeit, Lebensziele und interne Abstimmungsformen. Dieses Modell und die dazugehörigen Fragebögen zu seiner Erfassung bilden den Entwicklungsprozess von Paarbeziehungen ab, wohingegen die anderen in den erhobenen Variablen vorwiegend statisch orientiert sind.

Ferner haben wir gezielt die Glaubwürdigkeit der Angaben einer intensiven Kontrolle unterzogen, was so nicht bei den anderen geschieht. Die Grundlage unserer Diagnostik ist die neuere Forschung zur dynamischen Entwicklung und Stabilisierung von Paarbeziehungen als Mikrosysteme. 


Inwieweit spielt der visuelle Eindruck in den Fragebögen bzw. Online Dating eine Rolle? Inwiefern wird dieser berücksichtigt?

Der Eindruck am Bildschirm ist sehr wichtig. Man sollte dem elektronischen Medium Leben einhauchen, indem man eine direkte persönliche Kommunikation simuliert.

Hier können kleine Video-Instruktionen und Bemerkungen per Video den Eindruck eines Interaktionspartners vermitteln. Das erhöht die Genauigkeit der Angaben. Wie man von dem “kalten“ Medium angesprochen wird bei dieser so emotionalen Sache ist wichtig. 


Inwieweit stehen Sie als Sozialwissenschaftler dem biologisch fundierten Partnerschaftsuntersuchungen gegenüber? 

Es gibt keinen Widerspruch zwischen Biologie und Sozialwissenschaften, zwischen Natur und Kultur. Kultur ist eine Kombination aus natürlichen, evolutionären und kulturellen Bedingungen. Wir müssen einfach unsere Herkunft aus dem Tierreich akzeptieren. 
Aber die Kenntnisse über die angelegten Mechanismen versetzen uns in die Lage damit umzugehen. Es besteht nicht die Möglichkeit, Verliebtsein zu erzeugen. Aber man kann gezielt unter Partnern wählen, mit denen man eher auf Dauer glücklich bleibt.


Inwiefern erkennt sich ein Partner im anderen Partner,z.B. Ähnlichkeiten im Aussehen?

Hier haben wir ein bekanntes Problem. Wir glauben, dass der Partner so ist wie wir selber. Das ist leider ein Fehlschluss. Bemerkt wird er, wenn man wirkliche Konflikte hat. 

Jedoch ist es angenehm, wenn der andere wirklich dasselbe denkt wie ich, weil ich dann weiß, dass ich Recht habe. Eine feste Partnerschaft hat nun nicht das Ziel, zwei möglichst gleiche Personen zusammenzubringen, sondern einen Menschen zu haben, bei dem man so sein kann, wie man wirklich ist, und der einen trotzdem schätzt. 

Neben der Bindung an eine andere Person geht es für den einzelnen in einer Partnerschaft auch immer darum, sich tiefgehend verstanden zu fühlen. Da ist eine tolerierbare Unterschiedlichkeit für eine Beziehung anregend. Sie darf nur nicht destruktiv werden. 
Wir helfen den Personen beim Suchen des richtigen Partners. Finden müssen Sie immer noch allein. Wer wollte sich das auch abnehmen lassen?


Herr Prof. Witte, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch!


Wer hat das Interview "Paar-Psychologe Erich H. Witte" geführt?

Pamela Moucha arbeitet in der Test-Redaktion und verliebt sich gelegentlich beim Pilzesuchen im Wald.

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