"Gute Männer stürzen sich das ganze Jahr so in ihre Arbeit, dass sie für die Partnersuche keine Zeit haben."
Judith AlwinModeratorin, Model und Buchautorin Veröffentlicht: 20. September 2008 |
Auf der Suche nach einem neuen Partner hat sie eine 3-jährige Odyssee durch den Online-Dating-Dschungel hinter sich gebracht. Ihre zuweilen skurrilen, lustigen und frustrierenden Erfahrungen hat Autorin Judith Alewin in ihrem Buch "Ins Netz gegangen" festgehalten. Ein Mutmacher, Ratgeber und Trostspender in allen Online-Dating-Lagen, fand das Team vom Singleboersen-Vergleich.
Mit jedem Date wird der Kriterienkatalog im Kopf mit all den Eigenschaften, die das Gegenüber auf keinen Fall haben darf, länger und länger.
Frau Alwin, viele ihrer Geschlechtsgenossinnen über 40 klagen, die Auswahl an passablen Herren sei generell und insbesondere im Netz ziemlich mager. Haben Sie bei Ihren Recherchen ähnliche Erfahrungen gemacht?
Och, bei den meisten Singlebörsen war mein Posteingang eigentlich immer gut gefüllt. Und auch meine Freundinnen haben wenig Probleme damit, Männer kennen zu lernen oder einen Partner zu finden. Aber wir haben es vielleicht etwas leichter, weil wir aus dem Model-Umfeld kommen und deshalb über aussagekräftiges Fotomaterial verfügen, was im Netz ja schon die halbe Miete ist.
Was ich allerdings sagen muss: Viele "gute Männer zwischen 40 und 50" scheinen sich das ganze Jahr so in ihre Arbeit zu stürzen, dass sie für die Partnersuche keine Zeit mehr haben. Wenn kurz vor Weihnachten dann die große Melancholie einsetzt, kommen diese Karrieretypen aus ihren Löchern und wollen mit der Präzision eines Managers ihr Privatleben rund um die schönsten Tage im Jahr schnell mal eben so organisieren, wie sie es gerne hätten... Und danach tauchen sie wieder ab...
Was sollen denn all die anderen Damen machen, die nicht zu den Models dieser Welt gehören?
Ich war neulich bei einem Klassentreffen. Einige sahen aus wie direkt nach dem Abitur, andere schienen ihre Eltern geschickt zu haben. Aber was ich am erstaunlichsten fand, waren diejenigen, die sich vom häßlichen Entlein zum Schwan gemausert hatten.
Was ich sagen möchte: Viele Menschen haben irgendwie nicht verinnerlicht, dass sie lernen müssen systematisch an sich zu arbeiten, wenn sie sich auf dem Marktplatz der Beziehungen gute Chancen bewahren möchten.
Das scheint ähnlich zu sein wie auf dem Arbeitsmarkt, oder?
Ja, genauso wie die Jobwelt heute ein lebenslanges Lernen erforderlich macht, ist es auch bei der Partnersuche. Oder: "Mit 30 sieht man so aus, wie die Natur einen beschenkt hat. Mit 40 so, wie man es verdient..."
Aber ich würde das gar nicht unbedingt als Last sehen, denn in erster Linie sollte man ja auf sich achten, um sich gut zu fühlen. Und es ist doch eine tolle Möglichkeit, wenn Paare heute nicht mehr gezwungen sind, ein Leben lang zusammenzubleiben, sondern nach 20 Jahren entscheiden können, sich noch einmal auf dem Beziehungsmarkt umzuschauen.
Wen haben Sie via Internet denn so alles getroffen, Frau Alwin?
Im Prinzip sind die Leute, die man online treffen kann, ein ganz normaler Querschnitt durch die Bevölkerung. Das ist überhaupt nicht mehr wie in der Anfangsphase des Online-Dating, als man davon ausgehen konnte, primär auf Gestörte und Kaputte zu treffen. Die Reise, die ich drei Jahre lang unternommen habe, wurde in meinem Buch "Ins Netz gegangen" zusammengefasst, das all meine Flirts und Dates beschreibt. Ich hatte einige doofe und viele interessante Abende, und in wenigen Fällen ist eine richtige Freundschaft daraus geworden. Am Ende gab es sogar einen Mr. Right.
Was ist Ihre wichtigste Message an die Online-Dating-Neulinge, die Ihr Buch lesen?
Zu Beginn gilt es, einige Stolpersteine zu umschiffen, die das neue Medium mit sich bringt. Frauen sollten z.B. gleich einen Bogen machen um die "Haie", die systematisch versuchen, Neumitglieder abzufangen und mit ihrer Billigmasche herumzukriegen.
Aber das ist nur die Anfangsphase. Bei weiblichen Singles, die länger am Ball bleiben, habe ich häufig festgestellt, dass sie die nötige Lockerheit vermissen lassen. Mit jedem Date wird der Kriterienkatalog im Kopf mit all den Eigenschaften, die der Gegenüber auf keinen Fall haben darf, länger und länger. Beim ersten falschen Wort hat man das Date im Geiste dann schon wieder abgehakt. Hier würde es sicher helfen, wenn man sich nicht so krampfig vornimmt: "Ich will gleich meinen Mr. Right treffen!" Schöner ist es doch, wenn man sich einfach auf einen Abend freut, von dem man nicht so genau weiss was passiert.
Mein wichtigster Tipp an die Männerwelt ist: Gebt Euch bitte ein bißchen mehr Mühe mit Euren Profilen und Mails. Was soll ich mit "Über mich"-Texten à la "Frag mich, wenn Du mehr wissen willst" oder einer ersten Mail mit dem Inhalt "Na?" anfangen? Da wird häufig mehr Mühe in die Anzeige bei AutoScout24 oder Mobile.de gesteckt.
Ist das Internet in Ihren Augen denn nun ein guter oder ein schlechter Weg, um auf Partnersuche zu gehen?
Wissen Sie, wenn man im Alter von 20 Jahren abends ausgeht, dann kommen doch im Prinzip 80% der Menschen, die man auf den ersten Blick ganz sympatisch findet, für eine Beziehung in Frage. Mit 40 hingegen ist man schon so gefestigt in seinem Lebensweg und seinen Vorstellungen, dass es viel schwieriger wird, einen Partner zu finden, der zu den eigenen Ecken und Kanten passt. Da könnte das Internet, wenn es denn alle ein wenig ehrlicher und bewusster nutzen würden, sehr gut vermitteln. Zumal ich mittlerweile zwei Tage Erholungspause benötige, wenn ich nachts richtig feiern gehe ;-)
Frau Alwin, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch!
Wer hat das Interview "Autorin Judith Alwin" geführt?
Pamela Moucha arbeitet in der Test-Redaktion und verliebt sich gelegentlich beim Pilzesuchen im Wald.